Ausstellungsarchiv 2022

Dauerausstellung

Im Jahr 2018, als sie durch eine schwere Krankheit das erste Mal mit ihrer eigenen Sterblichkeit konfrontiert war, hat Burgis Paier begonnen, ihr großes Welttheater zu inszenieren. 350 Persönlichkeiten aus dem weiten Feld der Kunst- und Kulturgeschichte, die für ihr Leben und ihre Kunst prägend waren, hat sie interpretiert und porträtiert: Künstler*innen, Schriftsteller*innen, Komponist*innen, Philosoph*innen, Musiker*innen, Sänger*innen, Modeschöpfer*innen, Schauspieler*innen, Freiheitskämpfer*innen, Politiker*innen, Entdecker*innen, Naturwissenschafter*innen und sogar Märchenfiguren sind darunter. Die Kostümbildnerin und Puppenmacherin Paier hat nun jedoch keine Puppen oder Marionetten für eine Schaubühne angefertigt, noch hat sie als bildende Künstlerin klassische Plastiken und Skulpturen kreiert. Sie hat Hybride geschaffen, die auf kluge Weise zwischen den beiden Darstellungs- und Ausstellungsformen oszillieren: halb Skulptur, halb Puppe, halb dauerhaft, halb ephemer, halb Körper, halb Bild.
Wenn man von der Welt als Theater spricht, bringt man die Annahme einer Scheinhaftigkeit unserer Realität zum Ausdruck und, dass wir Menschen wie Schauspieler*innen agieren und spezifische Rollen spielen. Diese Welt aus Sein und Schein war durch die Jahrzehnte hindurch ein bestimmendes Thema in Paiers Werk. Und, sie hat sich auch selbst nie ausgenommen. Alle dargestellten Personen, egal aus welchem Jahrhundert sie kommen und welches Geschlecht sie tragen, haben die Hände der Künstlerin. So wie deren Werk und Leben ein Teil der Biografie der Künstlerin geworden ist, so ist sie in ihrer Referenz an diese Geistesgefährt*innen auch ein Teil von ihnen geworden. Das große Welttheater von Burgis Paier ist nicht nur eine Hommage an große Persönlichkeiten der Kunst- und Kulturgeschichte, sondern auch ein großes Selbstporträt, das sich wie ein Mosaik aus vielen kleinen Bausteinen zusammensetzt. In der neuen theatergalerie hat es nun zur Inspiration und Reflexion eine dauerhafte Bleibe gefunden.

14. Dezember 2022 bis 2. Juni 2023

Seit den 1970er Jahren war der
Aktionist, Zeichner, Bild-Dichter und
Literat Günter Brus immer wieder im
Bereich des Theaters tätig. Die Nähe zur
«darstellenden Kunst“ kommt nicht von
ungefähr. Mit seinen Aktionen hat Brus
den performativen Künsten neue Wege
eröffnet: der bedingungslose Einsatz
des eigenen Körpers, die Radikalität
des Ausdrucks, die Reduktion der Handlung auf das Wesentlichste. In seinen
Bühnenarbeiten hat er diese radikal-reduktiven Tendenzen hinter sich gelassen und
sich zu einem bildmächtigen Gestalter im Dienst der Gesamtkomposition gemacht.
Bei seinen vielfältigen Bühnenreisen hat sich Brus immer mit ungemeiner Sensibilität
auf die ihm gestellten Aufgaben eingelassen und der Musik, dem Text oder den
Figuren neue Bedeutungsebenen abgewinnen bzw. hinzufügen können. Dabei konnte
er aus dem reichhaltigen poetischen Kosmos seines eigenen bildkünstlerischen
Schaffens schöpfen.
Die Ausstellung gibt anhand von Entwurfszeichnungen und Originalkostümen von zwei
ausgewählten Projekten einen Einblick in einen bisher wenig beachteten Bereich in
Brus’ Oeuvre.